Wie man Giftpilze sicher erkennt

 

Drei Pilze, drei Fragen: Kann man sie nun essen oder nicht?
Die linken sind offenkundig Röhrlinge, aber sie leuchten so rot und sie blauen so rasch und heftig – die müssten doch eigentlich giftig sein, oder was meinen Sie?
Die Pilze auf dem mittleren Foto sind jedenfalls keine Röhrlinge. Ihr Hut sieht so hirnartig gewunden aus. Erinnert ein bisschen an Morcheln. Ob sie am Ende auch so gut schmecken?
Die Pilze ganz rechts haben Lamellen. Jung und zart schauen sie aus. Verfärben auch kein bisschen beim Schneiden. Und riechen sehr lecker nach Pilzen. Ob die wohl essbar sind? (Die Auflösung finden Sie, wenn Sie im Text weiterlesen).

Das wäre eine feine Sache, wenn man giftige Pilze einfach und unmissverständlich erkennen könnte. An ihrer Farbe beispielsweise oder an ihrer Form. So einfach ist es aber leider nicht. Auch wenn über die Erkennbarkeit von giftigen Pilzen einige wunderliche Behauptungen grassieren.

Speisepilzmärchen Nr. 1:
Pilz(gericht)e, die einen Silberlöffel anlaufen lassen, sind giftig.
(Umkehrschluss: Pilze, die das nicht tun, sind nicht giftig).

 

Barer Unsinn. Der Überzug mit Silbersulfid bildet sich vollkommen unabhängig von der Giftigkeit der Pilze. Das Märchen hat allerdings einen recht aufschlussreichen historischen Kern. Bei Hofe soll man Silberbesteck früher durchaus nicht nur seines Wertes wegen benutzt haben, sondern auch aus überlebenspraktischen Gründen. Man hoffte so nämlich, lausigen Köchen auf die Schliche zu kommen, die den üblen Geschmack längst verdorbener Ware mit kräftiger Würzung zu übertünchen versuchten. Die misstrauischen Esser spekulierten darauf, dass sich das Silber bei verdorbenem Essen mit entsprechend hohem Schwefelwasserstoffanteil sofort verfärben werde. Ob es wohl geklappt hat?

In diesem Zusammenhang sind die folgenden Hinweise angebracht:

  • Viele minder schwere Pilzvergiftungen werden vermutlich gar nicht von erklärtermaßen giftigen Pilzen verursacht, sondern von alten, vergammelten Speisepilzen. Wer Speisepilze sammelt, sollte daher grundsätzlich nur frische Exemplare sammeln. Alle schon überständigen oder weitgehend von Maden und Schnecken vorverzehrten Exemplare bleiben stehen, vom Schimmelpilz befallene Pilze sowieso. Alles, was irgendwie matschig, lappig, brüchig oder vom Frost geknackt worden ist, gehört nicht mehr in den Kochtopf. Die Pilze sollten am besten in einem luftigen Korb (also keinesfalls in einer luftdichten Plastiktüte) transportiert/aufbewahrt und möglichst rasch verarbeitet werden, am besten noch am gleichen Tag.
  • Dass man Pilzgerichte nicht aufwärmen könne, ist hingegen eine Mär aus Zeiten, als es noch keine Kühlschränke gab. Der Rest eines Pilzgerichts, für die Dauer eines Tages im Kühlschrank aufbewahrt, lässt sich ohne gesundheitliche Folgen am nächsten Tag sehr wohl aufwärmen und verspeisen. Pilzgerichte verhalten sich diesbezüglich nicht anders als Fleischgerichte auch.
Speisepilzmärchen Nr. 2:
Pilze, die auf Druck oder im Schnitt blau verfärben, sind giftig.
(Umkehrschluss: Pilze die das nicht tun, sind nicht giftig).

 

So einfach ist es leider nicht. Zu den auf Druck und im Schnitt blauenden Röhrlingen zählt z.B. der Flockenstielige Hexenröhrling (Boletus erythropus), einer der besten Speisepilze überhaupt. Das ist der Pilz auf dem Foto oben ganz links. Das Bild hier rechts zeigt den ganz besonders intensiv verfärbenden Schwarzblauenden Röhrling (Boletus pulverulentus), der ebenfalls im Schnitt und vor allem auf Druck tiefdunkel schwarzblau anläuft (Stiele!), aber sehr wohl gegessen werden kann (wenn er auch nicht gerade zu den herausragenden Delikatessen gehört). Dass wir Ihnen empfehlen möchten, diesen Pilz lieber im Wald stehen zu lassen, hat einen ganz anderen Grund: Er ist höchst selten.

Umgekehrt blauen gerade die giftigsten Gesellen im Walde nicht: Die Gifthäublinge beispielsweise (mit denen wir uns in einer der nächsten Folgen genauer befassen), die Hautköpfe – oder der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der Sie oben auf dem Foto ganz rechts so lecker anschaut.

Speisepilzmärchen Nr. 3:
Pilze mit roten Röhren oder generell mit grellen Rottönen sind giftig
(Umkehrschluss: Pilze ohne Rottöne sind nicht giftig)

 

Ebenfalls Unsinn. Auch hier spielt der volkstümliche Irrglaube eine Rolle, die Natur kennzeichne bestimmte Wirkungen durch bestimmte Farbigkeit, der ja z.B. auch den “Hexenröhrlingen” zu ihrem Namen verholfen hat. Der Satanspilz (Boletus satanas, siehe Foto rechts) als giftigster Vertreter der Röhrlinge hat zwar in der Tat einen giftroten Fuß, rote Röhren und gelegentlich einen roten Schimmer auf dem im Grunde blassgrauen Hut, aber auch der Flockenstielige Hexenröhrling, den wir gerade eben schon als sehr guten Speisepilz benannt haben, hat leuchtend rote Röhren, und der Echte Rotfußröhrling (Xerocomus chrysenteron) ist zwar keine besondere Delikatesse, aber durchaus essbar.

Die Signalfarbe Rot sagt also gar nichts über die Giftigkeit eines Pilzes aus, das Fehlen von Rot allerdings auch nicht.

 

Speisepilzmärchen Nr. 4:
Giftige Pilze schmecken (roh probiert) bitter, gallig, scharf, kratzig oder sonstwie schlecht
(Umkehrschluss: Was gut schmeckt, kann nicht giftig sein)

 

Leider auch falsch. Diejenigen, die noch davon haben berichten können, erzählen, dass ein Gericht aus Knollenblätterpilzen ganz angenehm pilzig schmeckt. Wohlgeschmack ist also kein Essbarkeitshinweis. Übler oder scharfer Geschmack kann umgekehrt durchaus ein Hinweis sein, dass der Pilz kein wertvoller Speisepilz ist.

Richtig ist, dass man bei bestimmten Pilzen, wenn man sich nicht ganz sicher ist, eine Geschmacksprobe nimmt. “Geschmacksprobe nehmen” heißt: ein kleines Stückchen vom Hut abbrechen und kauen. Danach aber unbedingt ausspucken, also nicht hinunterschlucken.

Dieses Verfahren wendet man beispielsweise beim Gallenröhrling (Tylopilus felleus) an, den schon mancher Speisepilzsammler für einen Steinpilz gehalten hat. Eigentlich kann man den bitteren Gesellen, von dem ein einziges Exemplar eine ganze Pilzmahlzeit ruiniert, auch ohne Geschmacksprobe meistens gut erkennen: Seine Röhren sind weiß mit einem rosafarbenen Schimmer (beim Steinpilz jung cremeweiß, später olivgelb/grün) und ragen meistens über den Hut vorgewölbt hinaus. Die Netzzeichnung auf dem Stiel ist beim Gallenröhrling dunkel auf hellerem Untergrund, vor allem nach Berührung (beim Steinpilz genau umgekehrt: helles Netz auf dunklerem Untergrund). Wer sich trotz alledem nicht sicher ist, der muss halt in den sauren Apfel beißen. (Wir werden die beiden Pilze in einem späteren Rundschreiben noch einmal etwas genauer gegenüberstellen). Ob Sie jetzt auch ganz ohne Geschmacksprobe schon herausfinden, welcher Pilz hier rechts abgebildet ist?

Geschmacksproben spielen außerdem auch bei den Täublingen und Milchlingen eine Rolle. Wenn man bei Milchlingen ein Stück des Hutes abbricht, sondern sie – jedenfalls in frischem Zustand – eine Milch ab. Von daher rührt auch ihr Name. Wenn man mit der Zungenspitze diese Milch antippt, scheiden sich die Milchlinge sofort in zwei Abteilungen: Eine hat mild, die andere scharf schmeckende Milch. Die mild schmeckenden Milchlinge sind essbar (was nicht bedeutet, dass sie alle eine Delikatesse sind). Auch zu den Milchlingen planen wir in einem späteren Rundbrief noch eine etwas genauere Übersicht.

 

Bei den Täublingen verhält es sich ähnlich. Sie “geben” zwar keine Milch, man muss also ein Stück Hut abbrechen und kauen, aber die Unterscheidung ist die Gleiche: Scharf oder bitter schmeckende Täublinge taugen nicht für den Kochtopf, mild schmeckende schon. Machen Sie sich übrigens darauf gefasst, dass einige Täublinge an die Schärfe von Chilis durchaus heranreichen.

 

Speisepilzmärchen Nr. 5:
Man muss Pilze nur lange genug kochen und das Kochwasser wegschütten.
Dann sind sie nicht mehr giftig.

 

 

Richtig ist, dass viele Pilze, auch Speisepilze, roh giftig oder zumindest unbekömmlich sind und überhaupt erst gekocht/gebraten/gegart ohne Beschwerden gegessen werden können. Nur ganz wenige Pilze, Zuchtchampignons zum Beispiel oder Trüffel, dürfen – in Scheibchen geschnitten oder gehobelt – auch roh verzehrt werden, ohne dass mit Verdauungsbeschwerden gerechnet werden muss.

Bei manchen Pilzen bessert eine spezielle Vorbehandlung die Bekömmlichkeit auch tatsächlich auf. Für einige von ihnen (wie z.B. den rechts abgebildeten Hallimasch) ist daher die Empfehlung, sie lange zu kochen und das Kochwasser wegzuschütten, durchaus zutreffend. Für die Nebelkappe (Lepista/Clitocybe nebularis) werden gelegentlich ähnliche Empfehlungen ausgesprochen – wir würden von ihrem Verzehr dennoch generell abraten.

Wasserlösliche, hitzeunbeständige Gifte können durch das gründliche Kochen unschädlich gemacht, die Verdaulichkeit einiger Pilze deutlich verbessert werden. Andere Gifte aber, unter ihnen leider auch das tödlich giftige Amanitin, das u.a. im weißen und im grünen Knollenblätterpilz steckt, sind nicht wasserlöslich und werden auch durch langes Erhitzen nicht zerstört. Ein grüner Knollenblätterpilz ist und bleibt tödlich giftig, auch wenn man ihn kocht, brät oder siliert.

Speisepilzmärchen Nr. 6:
Pilze, an denen Schnecken (Käfer, …) fressen, sind auch für Menschen ungefährlich

 

 

Ein fataler Irrglaube. Schnecken und Käfer haben ganz anders beschaffene Verdauungsapparate und verfügen über ganz andere Verdauungsenzyme als wir Menschen. Deswegen kann ein Pilz, der einem Schneck hervorragend schmeckt, Ihnen ganz schrecklich auf den Magen schlagen.

Eine ganz andere Frage ist, ob Sie Schnecken verspeisen mögen. Ich mag sie nicht und lese sie deshalb schon im Wald von den gesammelten Pilzen ab. Die würden sonst nämlich im Korb munter an meinem Abendessen weiter fressen.

 


Aus alledem folgt, dass es nur eine einzige Möglichkeit gibt, giftige Pilze zu erkennen:

Wer Giftpilze sicher erkennen will, der muss sie kennen.

Die Kenntnisse zu den Pilzen, vor allem die zu giftigen Pilzen, zu mehren, ist eine der Aufgaben, die sich die Pilzfreunde Mainfranken vorgenommen haben. Wir werden daher in künftigen Rundbriefen immer wieder auf wichtige Giftpilze und auf gefährliche Verwechslungsmöglichkeiten hinweisen.


Da fehlt doch noch was …

Ach ja, beinahe hätten wir’s vergessen: Wir schulden Ihnen ja noch eine Erklärung zu dem mittleren Pilz auf dem Foto ganz oben.

Das ist die Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta). Lorchel, wohlgemerkt, nicht Morchel. Trotz ihres lateinischen Namens, der vorgibt, sie sei essbar, ist die Frühjahrslorchel keineswegs als Speisepilz zu empfehlen, auch nicht nach langem Abkochen, wie immer wieder geheimnisvoll geraunt wird. Trocknen und gründliches Abkochen scheinen zwar den Giftgehalt der Frühjahrslorchel tatsächlich zu reduzieren. Wir würden an dieser Stelle aber nicht den geringsten Kompromiss eingehen. Von Pilzen, zu denen Vergiftungen beschrieben worden sind, sollten Sie grundsätzlich die kulinarischen Finger lassen.


Stand Oktober 2008. Copyright 2008 Pilzfreunde Mainfranken. Text und Fotos: Dr. Hans-Jürgen Stahl, Rudi Markones

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