Warum es mir die Pilze angetan haben

 

Warum es mir die Pilze angetan haben

Das erste Mal haben mich die Pilze gefunden, als ich mit zwei Jahren mit meinen Eltern in die Schwammerl gehen konnte. Meine Mutter hatte gerade ein paar wunderschöne Steinpilze entdeckt. Sie kniete verzückt am Boden und jubelte, aber nicht zu laut, damit mein in der Nähe pirschender Vater nicht vorbeikäme und vielleicht in der Nähe stehende Pilzgeschwister “wegernten” könnte.

Ich kroch neben ihr und tastete übers Moos und siehe da: Bald hatte ich zwei, drei etwas kleinere, mir aber damals noch stattlich erscheinende gesunde Exemplare des Boletus edulis herausgezogen. Seit der Zeit haben es mir die Pilze angetan.

In den nächsten Jahren lernte ich die Sammelpilze der Eltern kennen: außer dem königlichen Herrenpilz Rotkappen, Birkenpilze, Maronen, Pfifferlinge und später auch die Tannenpilze ( später lernte ich sie als flockenstielige Hexenröhrlinge zu benennen).

Als wichtigsten Giftpilz zeigte mir mein Vater den schönen roten Fliegenpilz. Außerdem gab er mir den guten Rat, keine anderen als die wohlbekannten oben genannten Arten zu sammeln. Natürlich kontrollierte er mein Körbchen immer nach.

Einige Jahre später- ich hatte natürlich das im Haushalt vorhandene Pilzbuch intensiv durchblättert- versuchte ich, mit mehr oder weniger Erfolg, den Eltern ein paar neue Pilzarten “unterzujubeln”. Besonders zurückhaltend waren sie bei meinem Versuch, den Perlpilz einzuführen. Er hatte es mir angetan und so gelang es mir nach einigen Pilzsommern tatsächlich, diesen Knollenblätterpilz vom Geruch des Giftpilzes und vom Kompost zu befreien und ihn für die Pfanne zu “retten”.

Später, im Studium- erst in Regensburg, dann in Würzburg- habe ich erstmal bei den Ausflügen in die umliegenden Wälder kaum meine bekannten Schwammerl gefunden. Deshalb habe ich nach und nach erstmal neue Pilzarten, dann Pilzbücher, dann wieder neue Arten usw. usw. gesammelt. Ich hab dann allerhand probiert und öfters auch mal zehngängige Pilzmenues gekocht. Alle unsere Gäste haben dies überlebt. Nur ich habe einmal Schaden genommen: Bei einem Campingurlaub in den französischen Pyrenäen habe ich einen großen Ring wunderbare Hexenröhrlinge gefunden. Damals konnte ich diese noch nicht in einzelne Arten unterscheiden. Wasser war Mangelware. Kurz entschlossen habe ich die Schätze im reichlich zur Verfügung stehenden Rotwein erwärmt, vielleicht sogar kurz gekocht. Merkwürdig war nur, daß ich noch während der, wieder mit ein paar Gläsern Rotwein genossenen Mahlzeit, plötzlich von Übelkeit ergriffen wurde. Nach schnellem Erbrechen war mir aber bald wieder so wohl, daß ich die Mahlzeit- und diesmal ohne Probleme- fortsetzen konnte…

Einen weiteren- noch folgenschwereren Griff nach mir taten die Pilze, als ich vor wenigen Jahren in der Tageszeitung lesen konnte, daß in Mergentheim, zwanzig Autominuten von hier, in der nächsten Woche eine große Pilztagung stattfinden sollte. Die Praxis war schnell geschlossen. Meine Kollegen übernahmen die Patientenbetreuung und ich tauchte ein in die Welt der Pilze.Es war meine erste Dreiländertagung der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.

Auf dieser und den dann folgenden jährlichen Tagungen habe ich -staunend- nicht nur viele interessante Pilznarren kennengelernt und Freundschaften geschlossen, ich habe auch ganz neue Seiten an den Schwammerln entdeckt. Mit meinen zweihundert gefundenen Arten konnte ich da gar nicht mehr angeben. Da gab es Spezialisten, die sich nur mit Pilzfamilien beschäftigen, die ich vorher gar nicht kannte. Manche Pilzfreunde haben im Wald neben mir Pilze erkannt, die in meinen Büchern gar nicht auftauchten. Auch daß man viele Pilze nur mit Mikroskop und mit Hilfe chemischer Reaktionen genau bestimmen kann, hat mich überrascht. Es gab und gibt sogar ganz normale Menschen, die sich nur für Schleimpilze interessieren. Merkwürdig. Und da gab es auch die Sorte Mensch, die die Bücher schreibt, die ich sammle, vom Bilderbuch für Anfänger bis zu den “Standardwerken”… Und siehe da, nach den ersten Tagen des ehrfürchtigen Staunens haben ich mich sogar mit ihnen unterhalten- und nicht nur über die Schwammerl!

Seit dieser Zeit sammle ich immer weniger Pilze zum Essen und immer mehr verschiedene Arten: große und kleine, esbbare, aber auch ungenießbare und giftige. Immer öfter finde ich auch wunderschöne, seltene und merkwürdige Exemplare. Und zunehmend kaufe ich mir nicht mehr Pilzbücher, sondern Pilzliteratur- dicke Wälzer mit vielen Seiten über immer weniger Pilze. Immer öfter schaut mich dann meine Frau etwas komisch an…

Ach übrigens, meine Frau- die habe ich natürlich am Anfang unserer Beziehung dem ultimativen Pilztest unterzogen: Erst hat sie sich ja ziemlich gesträubt- aber nach einiger Überredungskunst ist sie tatsächlich mit mir mitten in der Nacht aufgebrochen, um Schwammerl zu suchen. Tatsächlich sind wir mit einer großen Taschenlampe und einem kleinen Korb bewaffnet, in den Wald gezogen. Ein gutes Omen wars dann auch: wir haben einen großen Haufen Trompetenpfifferlinge gefunden und anschließend auch gegessen! Ich gebs ja zu: im Sinne des Naturschutzes war die nächtliche Aktion ein Frevel. Ich werds auch bestimmt nicht wieder tun. Aber es war unvergesslich.

Endlich, im Jahr 2002 geschah es, da habe ich mit Thomas Wallner und anderen Freunden zusammen unsere erste Tagung durchgeführt. Na, eigentlich war es keine Tagung, aber eine große Pilzausstellung. Sie fand statt an einem Oktoberwochenende im Botanischen Garten Würzburg vor dreitausend Besuchern, denen wir über dreihundert Pilzarten zeigen konnten.

Inzwischen sind weitere große und kleine Pilzaustellungen vorbei- z.B. 2005 die zweite große im Botanischen Garten Würzburg mit demselben Erfolg und 2006 eine etwas kleinere auf der Landesgartenschau in Marktredwitz sowie 2007 bei uns in Kist.
Auch 2008 gabs im Oktober wieder eine große (300Pilze, gut 2500 Besucher) Ausstellung im Botanischen Garten.
2009 waren wir zu Gast im Walderlebniszentrum bei Arnstein.

Im Sommer 2011 war dann meine Enkelin Ida (1,5J) aus Schleswig-Holstein zu Besuch. Bei mir und am Blutsee.

Dort ist sie nach kurzem Zögern vom Arm ihrer Mutter gestiegen und hat Pilze gesammelt: Stolz kam sie mit ihren ersten zwei selbst gepflückten Hainbuchenröhrlingen zu uns. Leider musste ich da so lachen, daß meine Fotos ganz verwackelt wurden…

2012 wird im Februar unsere Pilzfreundegruppe 10 jahre alt und dann im September eine Jahrestagung der Bayrischen Mykologischen Gesellschaft bei Würzburg stattfinden. Schaun mer mal.

Das Myzel wächst…